Pressestimmen

Ein Semikolon verändert das Leben

20.08.2018
Ein Semikolon verändert das Leben

Das TU-Schauspielstudio zeigt seine Eigenproduktion um Datenschutz und Digitalisierung "Dead Line" im Mollerhaus

„Was geschieht, wenn Datentechnik in falsche Hände gerät? Diese brisante Stückidee bringen Tobias S. Keller (Text und Regie) und Frederic Jacob (Regie) in „Dead Line“ auf die Bühne. Das Stück zur digitalen Revolution wird im Theater Mollerhaus engagiert umgesetzt vom Schauspielstudio der TU Darmstadt.

Das Stück spielt überwiegend in der Wohnküche eines jungen Paares. Ein selbstgebautes Sofa, Regale mit Musikanlage und Büchern, auf der anderen Seite des Sofas ein Regal mit Küchencharakter, auf dem sich leere Pizzakartons häufen. Das wichtigste Requisit auf der Bühne ist der Laptop. Kein Wunder, denn die zentrale Figur Mia Nora Seiert (Effi Stolze), eine junge Studentin, die in ihrer Doktorarbeit bei Professor Pellmann (Luca Del Nero) einen Algorithmus entwickelt hat, der die Gesellschaft verändern könnte. Nur ein kleiner Fehler steckt noch drin. Pellmann ist plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Da taucht er bei Mia auf, verstört, fast paranoid, und erzählt ihr, dass er wegen des Algorithmus inhaftiert und gefoltert wurde. Er hatte den Fehler, ein vergessenes Semikolon, verbessert und den Algorithmus unter eigenem Namen veröffentlicht – um Mia zu schützen. Denn der Algorithmus hätte aufdecken können, dass die umfassende Datenerfassung der Kontrollbehörde vor allem eins bedeutet: Gleichschaltung und totale Kontrolle. Er gibt Mia einen Datenstick mit der Kopie des Algorithmus und taucht ab.

Mias Beziehung ist derweil zerbrochen. Ihr Freund Moritz (Marius Deuker) ist Fotograf, ein liebenswerter Typ, dem Mias zunehmende Arbeit am PC zu schaffen macht, er fühlt sich abserviert. Irgendwann packt er seine Sachen und geht. Dafür bekommt Mia eines Tages unangenehmen Besuch (David Riehl*) von der Kontrollbehörde, in Begleitung eines ehemaligen Studenten (Tim Haubert). Die Herren wollen mit allen Mitteln an den Datenstick gelangen.

Die Inszenierung verwebt die Szenen miteinander. Es ploppen Nachrichten auf dem Bildschirm des Laptops auf, die über Leinwand auch für das Publikum lesbar sind: TV-Nachrichten von einer Moderatorin (Kathrin Haase) über einen außer Kontrolle geratenen Drohnenangriff seitens der USA , Virenangriffe und das Kontrollbüro ruft eben alle Bürger auf, ihre Geräte registrieren zu lassen – „zur Sicherheit“.

In der Wohnküche vollzieht sich Alltag in netten Dialogen, in einem runden Lichtspot werden starke Emotionen ausgeleuchtet: Pellmanns Verzweiflung in Haft, Mias Trauer um Moritz, den sie verliert. Eine Folterszene ist eingewoben, der ehemalige Student fragt sich, dem Publikum zugewandt, ob er die Möglichkeit gehabt hätte, sich anders zu verhalten.

Das Stück das auch von moralischer Verantwortung erzählt hätte gewiss etwas straffer inszeniert werden können. Von allen Schauspielern intensiv gespielt, setzt es sich aber eindrucksvoll mit einem hochaktuellen Thema auseinander.“ (14.08.18)

Bettina Bergstedt, Darmstädter Echo

Bild: Guido Schiek

*Name vom Schauspielstudio korrigiert

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